Mittwoch, 18. Mai 2022

Notizen Mai 2022

Notizen Mai 2022




Henning Mankell (1948 - 2015)

Die Hunde von Riga (Hundarna i Riga) (1992)
Ja, ich muss gestehen, dass ich sofort zum nächsten Wallander Roman greifen musste, obwohl mir die Verstrickung des "einfachen Mannes" Kurt Wallander in internationale Intrigen doch etwas unglaubwürdig, gezwungen bombastisch anmutet...und schon in "Der Mann, der lächelte" angemutet hat.
Obwohl gerade das ein zentrales Element seiner Romane zu sein scheint, diese für Mankell offensichtlich so erschreckende Erfahrung, kein biedermeierlicher Mensch mehr sein zu können, der auf einer "Insel der Seligen" leben darf, sondern plötzlich auf einem international verwobenen Schlachtfeld zu stehen, unverständlich und an allem Bisherigen gemessen absurd anmutenden Entwicklungen ausgesetzt ... eine Erfahrung die viele europäische Bürger, mich eingeschlossen, irgendwo am Übergang der 1980er zu den 1990er Jahren machen mussten.
Hier trifft es eben den "kleinen, biedermeierlichen Polizisten", der angesichts dieser "Revolution" seinen Weg sucht, verzweifelt versucht, seine Integrität zu erhalten - mit all den damit verbundenen Krisen, Schmerzen, ja bis zur Grenze des persönlichen Untergangs.
M.E. ist das der zentrale Angelpunkt, der diese Romane für so viele Menschen so anziehend macht. 
Die "reine" Kriminalgeschichte, die in diesem Roman verpackt ist, scheint für Freunde des Kriminalromans vermutlich eher knapp, langwierig dargestellt, von Kapitel zu Kapitel fast ohne Fortschritt sich permanent im Kreis drehend.
Das zentrale Thema ist eben ein anderes: nicht die geradlinige Auflösung eines Doppelmordes im Milieu des Drogenhandels der Ost-Mafia, sondern die Entwicklung eines "kleinen Mannes", der in internationale Entwicklungen geworfen wird und daran beinahe zugrunde geht.

Henning Mankell (1948 - 2015)

Wallanders erster Fall (Pyramiden) (1999)
Die Vorgeschichte zur Romanserie rund um Wallander - von der Kritik oft als überflüssig und von minderer Qualität kritisiert, wird hier die Brücke zu Wallanders Anfängen als Polizist und bis in die 1960er Jahre und die damaligen gesellschaftlichen Veränderungen (in Folge der "68er Bewegung") geschlagen.
Wieder wird der alltägliche Mensch "Wallander" als in die Konflikte seiner Zeit geworfen gestellt - zum Beispiel als junger Polizist, dessen Auftrag es ist, Ausschreitungen rund um Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg Einhalt zu gebieten...und damit selbst in Gewissenskonflikte gerät, weil er diesen Krieg selbst ablehnt.
Eines seiner Motive, zur Kriminalpolizei zu wechseln, ist eben diesen Entwicklungen zu entkommen, den Auswirkungen, denen er als Polizist ausgesetzt ist ... der Leser seiner früheren Wallander Romane weiß aber, dass genau diese ihn immer wieder einholen werden.
Und darin liegt m.E. auch der eigentliche Reiz seiner "Kriminalromane"  - Wallander als exemplarischer/es Beobachter/Opfer der Veränderungen der europäischen Gesellschaft nach 1989 ... diesen Grundgedanken hat Mankell selbst im Vorwort zu dem Band zusammengefasst: