Sonntag, 10. Januar 2021

Notizen Jänner 2021

Notizen Jänner 2021


2020 habe ich folgende Bücher gelesen: 
  • Gottfried Keller (1819 - 1890) - Der Grüne Heinrich (1854-55 / 1879/80) 
  • John Galsworthy (1867 - 1933) - Die Dunkle Blume (1913) 
  • Laurence Manning (1899 – 1972) & Fletcher Pratt (1897 – 1956) - The City of the Living Dead (Mai 1930 in Wonder Stories) 
  • Guy de Maupassant (1850 - 1894) - Der Horla (1886/87) 
  • Renate Welsh (*1937) - Kieselsteine (2019) nach ca. 3/4 weggelegt, ist zwar ein kleines Werk, aber war dann doch zu belanglos, um mein Interesse aufrecht erhalten zu können
  • Jules Verne (1828 - 1905) - Die 500 Millionen der Begum (1879) 
  • August Strindberg (1849 - 1912) - Inferno  (1897) 
  • John Galsworthy (1867 - 1933) - A Man Of Property  (1906) ...hintangestellt - stattdessen begonnen:
  • Haruki Murakami (*1949) - Gefähliche Geliebte, Kokkyo No Minami, Tayo No Nishi  (1992, ft. 2000) 
  • Matthew Phipps Shiel (1865–1947) - The Purple Cloud (1901)...nie beendet, 2x weggelegt
  • Marguerrite Duras (1914 - 1996) - L’amant (1984, 1985 dt. als "Der Liebhaber") 
  • Albert Camus (1913 - 1960) - Die Pest (1947) 
  • Trueman Capote (1924 - 1984) - Breakfast at Tiffany’s (1958) 
  • Marguerite Duras (1914 - 1996) - L’amant de la Chine du Nord (1991, 1993 dt. als "Der Liebhaber aus Nordchina") 
  • Jean Rhys (1890 - 1979) - Quartet (1928)
  • Marguerite Duras (1914 - 1996) - Moderato Cantabile (1958)
  • Oliver Goldsmith (1728–1774) - The citizen of the world, or letters from a Chinese philosopher residing in London to his friends in the east (1762)...begonnen, bis heute nicht über Kapitel 4 hinausgekommen
  • Louis Antoine de Bougainville (1729 - 1811) - Reise um die Welt. Durch die Inselwelt des Pazifik 1766–1769 (1771-72) - (Voyage autour du monde par la frégate du Roi La Boudeuse et la flute l'Etoile en 1766, 1767, 1768, et 1769.)...begonnen...bis heute nicht beendet
  • Denis Diderot (1713 - 1784)Georg Christoph Wagenseil (1715 – 1777) - Nachtrag zu Bougainvilles Reise (1772 / publiziert 1796)...begonnen...bis heute nicht beendet
  • Ford Madox Ford (Joseph Leopold Ford Hermann Madox Hueffer) (1873 – 1939) - Some Do Not (1924)...großartig, meine persönliche Entdeckung des Jahres
  • Wolfram von Eschenbach ( ~1170 – ~1220) - Parzival (zw. 1210 u. 1220)
  • Elliott Bliss (Eileen Norah Lees Bliss) (1903 – 1990) - Luminous Isle (1934)
  • William S. Burroughs (1914 – 1997) - Junkie (1953) 
  • Arthur Machen (Arthur Llewellyn Jones(1863 – 1947) - The White People (1904) 
  • Zadie Smith (*1975) - London NW (2012) 
  • Graham Greene (1904 - 1991) - The End of the Affair (1951) 
  • Graham Greene (1904 - 1991) - Journey Without Maps (1936) 
  • Barbara Greene (1907 - 1991) - Land Benighted (1938) 
  • Tim Butcher (*1967) - Chasing the Devil (2010)
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  • Werner Junge (1905 - ?) - Bolahun - Als deutscher Arzt unter schwarzen Medizinmännern (1950) ... 2020 nicht mehr begonnen
  • George W. Schwab (1876–1955) - Tribes of the Liberian Hinterland (1947) ... 2020 nicht mehr begonnen
  • Hans-Jürgen Massaquoi (1926 – 2013) - Destined to Witness (1999) ... 2020 nicht mehr begonnen 
  • Fatima Massaquoi (1907 - 1991) - The Autobiography of an African Princess (veröffentlicht 2013) ... 2020 nicht mehr begonnen

Graham Greene (1904 - 1991) 


The Quiet American (1955) 
Die schonungslose Darstellung der amerikanischen Agenten und Journalisten fällt schon in den Anfangskapiteln auf...beißender Zynismus des ohnmächtigen Europäers im Angesicht des international wachsenden Einflusses der vereinigten Staaten - immer wieder die Sprachlosigkeit im Angesicht der empfundenen Oberflächlichkeit bei gleichzeitig erschreckender Effektivität.
So viel Zeitgeschichte in dem Werk auch steckt - trotzdem zeitlos und lesenswert.


Graham Greene (1904 - 1991) 

The Comedians (1966) 
Liest man heute einen Roman von Graham Greene, dann kommt schnell der Verdacht auf, dass es sich um Unterhaltungsliteratur von beschränktem Wert handelt.
Die Romane verfügen über eine (nur vordergründig!) "vordergründige" Handlung, häufig geht es um Geheimagenten, Liebesgeschichten, das alles oft in exotischem Ambiente und zu allem Überfluss sind die meisten Romane Greenes dann auch noch für das Kino verfilmt worden. Dafür musste man aber die Story für das amerikanische Publikum mitunter  sogar ins komplette Gegenteil verkehren, wie bei "The Quiet American".
Und Green war noch dazu Katholik - er befasst sich mit Fragen des Glaubens, mit Schuld und (meist ohne) Sühne. Das war zwar in der Zwischenkriegszeit, vor allem in Frankreich, auch gewissermaßen Mode - aber nach dem Verebben dieses Trends in der Nachkriegszeit konnte sich ein Schriftsteller im späten 20. Jahrhundert kaum verdächtiger und verächtlicher machen.
Nimmt sich jemand andererseits einen der Romane auf der Suche nach spannenden "Agentengeschichten" heute noch vor, dann ist der oberflächliche Leser schnell enttäuscht.
Die Handlung läuft oft eher arm an wirklichen Höhepunkten dahin und dient eher als Kulisse für die inneren Konflikte der Antihelden, die der Leser bedauern könnte, wenn sie nicht fast in allen Werken so unsympathisch dargestellt wären. So fällt es dem Leser schwer, Bedauern für sie zu empfinden.
Eine gewisse Verwandtschaft zu Romanen Hemingways kommt in den Sinn - nur ist Greene zynischer, (natürlich) britischer und weiter vom unterhaltsamen Mainstream entfernt.
Nimmt man als Beispiel zwei Romane "The Quiet American" oder "The Comedians" her: biede gelten nicht als Greenes beste Werke, sind aber in ihrer Art überaus bemerkens- und lesenswert.
In beiden agiert ein alternder Antiheld in exotischen Ländern unter widrigen politischen Umständen (Bürgerkrieg bzw. totlitäre Diktatur), kann aber das politische Geschehen nicht im Sinne einer Verbesserung beeinflussen. Und dessen ist er sich voll bewusst. 
Wir finden ihn auf dem trostlosen Boden eines Nihilismus - die Akteure spielen ihre Rollen, sind dem Geschehen aber völlig ausgeliefert. Die Weltgeschichte dreht sich weiter, immer ungerechter, immer brutaler, die Individuen können nur als Opfer enden.
Aber die Opfer sind keine bemitleidenswerten Figuren, denen der Leser Sympathie entgegenbringen kann - sie handeln, so wie sie handeln, getrieben von ihren Leidenschaften, ihren Instinkten, sie intrigieren, verletzen andere und richten immer weiteren Schaden an und stehen den "Bösewichten" darin kaum nach.
Beide Romane enden absurderweise noch dazu mit einer Art Happy End für den Hauptakteur, der sich zuvor so weit herabgelassen hat, seine Nebenbuhler, gegen die er die niedrigsten eifersüchtigen Gefühle entwickelt, mittlels Intrigen aus dem Weg zu räumen.
Tat er das nur aus Eifersucht, Hass und Eitelkeit, oder war die Tat teilweise auch durch den Versuch eine Verbesserung der politischen Lage herbeizuführen motiviert? Man erfährt es nicht, man kann es nicht wissen - wer kennt schon die tiefsten Beweggründe des eigenen Handelns, geschweige denn des Handelns seines Nächsten?
Fest steht nur: die Hauptfigur ist nicht in der Lage die Sicherheit von religiösen oder politischen Überzeugungen zu finden, er ist sich bewusst, nur zu begehren und nicht der Liebe fähig zu sein - und er kann sich nicht einmal schuldig fühlen. Er ist kein Held, er schickt Widersacher in den Tod, er hat angesichts drohender Gefahr Angst, teilweise so sehr, dass er sich z.B. bei einem Übergriff der Geheimpolizei Haitis in "The Comedians" sogar in die Hose uriniert.
Unliebenswürdiger kann man seinen Romanhelden kaum darstellen.
Aber ist er "schuldig"? Der Leser kann auch kaum Schuldhaftigkeit enpfingen. Die Hauptfigur lebt, selbst an den gefährlichsten, exotischsten Orten, ein Leben ohne Tiefen und Untiefen - sie bewegt sich nur auf einer öden Ebene.
Und der Haupakteur beobachtet Leid, in Situationen, die er nicht mehr als außergewöhnlich empfinden kann. 
In "The Comedians" lesen wir, dass "Grausamkeit wie ein Suchscheinwerfer ist"; und der bewegt sich von Ort zu Ort, vom Dritten Reich nach Vietnam, nach Haiti, in den Kongo oder nach Westafrika - Menschen können ihm nur vorübergehend entkommen.
Vor diesem Hintergrund erscheint Greene tiefsinniger als viele sendungsbewusste, marxistische oder aufgesetzt nihilistische Authoren des Zwanzigsten Jahrhunderts, die weit höher im Kurs standen.
Greene war, ist und bleibt "große Literatur".

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