Montag, 9. November 2020

Notizen November 2020

Notizen November 2020




Graham Greene (1904 - 1991) 


The End of the Affair (1951) 
Greene war vermutlich zu populär, darum wurde ihm nicht die höchste künstlerische Anerkennung zuteil - The End of the Affair ist jedenfalls ein großes Werk, das sich neben Mauriac und Green, an die es mich stark erinnert hat, verstecken muss.
Greene wühlt hier tief in menschlichen Beziehungen herum, streift Themen wie Schuld, Religiosität und bleibt dabei streckenweise unerhaltsam...teilweise verliert man als Leser den Faden im etwas lose komponierten Ablauf der äußeren Ereignisse.
Ich halte The Heart of the Matter weiterhin für Greenes überzeugenstes Buch, trotzdem ist The End of an Affair lesenswert.

Graham Greene (1904 - 1991) 

Journey Without Maps (1936) 
Und gleich nochmal Greene - Reisebericht, sein frühes Werk...in einen der damals gefährlichsten Landstriche der Welt, Liberia und Sierra Leone Später folgten ungefähr 30 Jahre Aufschwung in Liberia, bis das Land gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder in Bürgerkrieg versank. 
Bin vor allem an dem so oft beschworenen Unterschied zu der Reisebeschreibung seiner Cousine, Barbara Greene interessiert - weshalb ich ihr Buch anschließend lesen werde.


Greenes "Journey Without Maps" hat mich doch sehr überrascht...wer einen Reisebericht reich an Fakten und Berichten von äußeren Erlebnissen erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein. 
Greene schreibt fast mehr über sich, seine Erwartungen, Stimmungen und seine Entwicklung, sodass das Werk eben sosehr als eine Reise in sein Inneres wie als Reise in das Landesinnere dieses damals Europäern weitgehend unbekannten Landes aufgefasst werden kann.
Die Landkarte Liberias zeigte damals an vielen Stellen, die Green durchreiste, die berühmten buchstäblich "weiße Flecken" einer "Terra Incognita"... jedenfalls unbekannt der europäischen Sicht.
Obwohl manche Stellen dem heute an feinsten Nuancen der Kritik an "Eurozentrismus" und Diskussionen um "Political Correctness" geschulten Westeuropäer auf den ersten Blick etwas befremdlich erscheinen müssen - speziell die Passagen an denen Greene immer wieder von "ungeheuerlichem Dreck" und Krankheit spricht, ohne weiter ins Detail zu gehen - zeichnet er doch ein Bild das meist überraschend wenig wertet, selten urteilt und von einem großen Maß an Empathie geprägt zu sein scheint, ohne die tatsächliche und unvermeidbare, Distanz eines Europäers der 1930er Jahre, der Afrika das erste Mal besucht, und Menschen, die ihren Lebensraum im Landesinneren noch nie verlassen haben, leugnen zu wollen.
Speziell Greenes Unbehagen über seine "Befehlshoheit" über die afrikanischen Träger, Diener und Köche, die er fair bezahlen will, aber nicht überbezahlen darf, um nicht Unfrieden heraufzubeschwören, scheint immer wieder liebenswert durch.
Erst zu Ende des Buchs kommt Greene auf die historischen und politischen Rahmenbedingungen seiner Reise zu sprechen, nicht ohne die Rolle der europäischen Kolonialmächte sowie des Firestone Konzerns scharf zu kritisieren, die allesamt ihre Begehrlichkeiten auf diesen einzigen damals noch nicht okkupierten Landstrich Westafrikas richteten.
Bemerkenswert ist, dass Greene nach tatsächlichen Gesprächen mit lokalen Politikern und Militärs die britischen "Horror-Berichte" über Massaker von liberianischen Truppen an der Bevölkerung als substanzlos und eher unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn er dem Oberbefehlshaber der Armee in seinem Buch eine Plattform gibt, auf der dieser sich als unschuldig darstellen kann... wobei sich Greene aber nicht anmaßt, die exakten historischen Fakten rekonstruieren zu können.
Inwieweit er in diesem Punkt differenzierter urteilte als die offiziellen Berichte der englischen Verwaltung oder ob er dem Charme des militärischen Oberbefehlshabers von Ex-Präsident King aufgesessen ist, mit dem er eine einen langen Abend verbracht hat und eine Menge Whiskey geteilt zu haben schient, ist schwer nachzuvollziehen.
Insgesamt ein faszinierendes Buch, besonders, wenn man Graham Greene mag, und das an vielen Stellen aufgeklärter und modernen erscheint als vieles, das nach Greene über Afrika geschrieben wurde.
Nur an wenigen Stellen lässt er sich zu bissigen Kommentaren zur lokalen einheimischen Regierung bzw. der "Kaste" der Verwaltungsbeamten herab...um umgekehrt das "ursprüngliche", vom Kolonialismus beinahe unberührte Afrika zu verklären.
Es sind aber nur wenige Passagen und da speziell seine Kritik an der lokalen Elite der Verwaltungsbeamten in Sierra Leone, die aus heutiger Sicht untragbar und erscheinen geradezu rassistisch erscheinen und auch der erwähnte romantisierende Gegensatz zwischen "unberührten" Eingeborenen und "von westlicher Zivilisation verdorbenen" Bevölkerungsschichten folgt einem altertümlichen Topos und wirkt heute stellenweise naiv.
Für Leser, die einen Reisebericht mit Fakten und der Schilderung möglichst vieler Abenteuer erwartet, wird das Werk wahrscheinlich etwas enttäuschend sein. 
Befremdlich auch, dass Greene seine Cousine Barbara zwar nie negativ erwähnt, aber immer nur am Rande von ihr geradezu "nicht spricht" und sie in seltsam anmutenden Varianten von "wir" versteckt. Beinahe wie eine Tatsache, ein Detail, das man nicht ganz verschweigen will, aber auch in keinem Satz ausdrücklich erwähnt.
Darum bin ich auf den Bericht seiner Reisegefährtin, Barbara Greene, "Land Benighted" aus dem Jahre 1938 gespannt...