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Sonntag, 11. August 2024

Notizen August 2024

Notizen August 2024




Robert Hugh Benson (1871-1914)

The Light Invisible (1909)

Eine Sammlung von Geschichten zu übernatürlichen Erscheinungen aus katholisch-christlicher Perspektive, verpackt in eine Rahmenerzählung. 
Erzählt durch eine Reihe verbundener Anekdoten von einem älteren Priester, soll diese Sammlung von Erzählungen darstellen, was Benson als 'a faculty common to all who posses a coherent spiritual life' bezeichnete. Diese Fähigkeit besteht darin, göttliche Wahrheiten in jedem einzelnen Element der Vielfalt der Schöpfung zu erkennen, geleitet von der ultimativen Weisheit der Offenbarung. The Light Invisible zeigt Benson in der frühesten Phase seiner literarischen Karriere und erweckt den den eher plumpen Eindruck christliche motivierter Geschichten.

Bei allem Wohlwollen wirken manche der Geschichten auf en Leser des Einundzwanzigsten Jahrhunderts eher belanglos und insgesamt wirkt das Ganze vom literarischen Standpunkt doch eher altbacken.
Bei genuinem Interesse für übernatürliche Erscheinungen und als Ergänzung zu "The Necromancers", sozusagen als Erklärung, in wieweit Benson das Übernatürliche im katholischen Glauben als "legitim" betrachtet hat, dennoch interessant.



Montague Summers (1880 – 1948)

The Grimoire (1936)

Liest man nur die zweite Hälfte dieser kurzen Erzählung, wirkt sie sehr unterhaltsam. Die erste Hälfte stellt meines Erachtens eine weitschweifige und eher weniger gelungene Persiflage auf bibliophile Gelehrte dar.
Leider sind die übrigen Geschichten aus "The Grimoire and Other Supernatural Stories" nach meinem Wissensstand aktuell weder online, noch in einer erschwinglichen Druckausgabe verfügbar.



Michel Houellebecq (*1956)

Vernichten (französisch: Anéantir 2022)

Von der Kritik weitgehend wenig geliebt, m.E. ein großartiges Werk, wieder einmal provoziert er. Nur eben anders als bisher. 

Auf den ersten Blick wirkt der Roman fast sentimental-kitschig. Michel Houellebecq stellt die heterosexuelle Paarbeziehung (bzw. das, was davon im 21. Jahrhundert seiner Meinung nach noch existiert) als bevorzugten Lebensentwurf dar, ja sogar als legitime Alternative zu Euthanasie oder Schmerzlinderung durch Drogen. Reaktionärer geht es kaum, und der intellektuelle Mainstream steht diesmal im Zentrum seines Spotts – und hat es offensichtlich nicht begriffen.

Mit so gut wie keinem Wort werden alternative gesellschaftliche Lebensformen (die unsere (post-)modernen Diskurse dominieren) kritisiert oder auch nur erwähnt. Stattdessen sehen wir hier aufrichtige, von bürgerlichen Idealen überzeugte Politiker (kontrastiert mit populistischen Demagogen), aus europäischer Sicht erfolgreich "integrierte" Einwanderer aus anderen Kontinenten und Kulturen, Freundschaft als Verbindung zwischen Menschen, die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit verbürgt, die monogame, heterosexuelle Paarbeziehung, die Liebe von Eltern zu ihren Kindern (sowie Darstellungen der völligen Abwesenheit derselben), und sogar die abendländisch-christliche Ehe, die als Heilmittel angesichts finanzieller Schwierigkeiten, gesellschaftlicher Benachteiligung, gesundheitlicher Probleme und sogar des Todes vorgeführt wird. All das geschieht vor dem Hintergrund einer fast völlig sinnentleerten Welt.

Am Rande driften die involvierten Personen teilweise in Mystizismus, Weltverschwörungsphantasien und identitäre politische Zirkel ab. Doch diese alten Strukturen – Aufrichtigkeit, Freundschaft, Ehe – bleiben die letzten Anker eines möglichen Glücks. Das will heute allerdings kaum jemand hören (oder lesen).

Wieder einmal ein trauriger, etwas sentimentaler und auch nicht frei von Selbstmitleid geprägter Abgesang auf die Kultur des Abendlandes. Trotzdem weit scharfsinniger als Houellebecqs Kritiker.

Schade, dass sich Houellebecq kurz darauf mit Quelques mois dans ma vie. Octobre 2022 – Mars 2023 derartig diskreditiert hat, dass er es seinen Gegnern sehr leicht gemacht hat, ihn pauschal zu verunglimpfen.


Freitag, 10. Juni 2022

Notizen Juni 2022

Notizen Juni 2022 




Chuck Palahniuk
 (*1962) 

Fight Club (1996)

Nachdem ich den Film mehrmals gesehen habe, erstmals den Roman gelesen. Ich kann mit dieser "hippen" Art zu schreiben a la Bret Easton Ellis oder Douglas Coupland nicht viel anfangen. Ich persönlich hatte während der Lektüre immer wieder das Bild von Jugendlichen vor Augen, die so gelangweilt sind, dass sie nicht nur ein Bisschen Drogen nehmen, sondern sich mit Zigaretten Brandwunden zufügen und dabei ausrufen: "Coooool!"
Sozial- und Gesellschaftskritik sind darin sehr wohl verpackt und auch zu finden, aber das Weltbild lässt doch eher an einen gelangweilten High School Schüler denken.
Selten war der Informationsverlust zwischen einem Roman und dessen Verfilmung so gering wie im Verhältnis dieser (m.E. sehr guten) Verfilmung aus dem Jahre 1999 und dessen Romanvorlage - wobei ich nicht entscheiden will, ob das für den Film oder gegen die Qualität des Buchs spricht.



Michel Houellebecq (*1956) 


Unterwerfung (
Soumission) (2015) 

Lange habe ich mich geweigert, diesen Roman zu lesen, weil er mir zu sehr an der Tagespolitik zu hängen schien.
Aus der Distanz von mehr als 5 Jahren habe ich mich nun darüber gewagt.
Ich habe mir noch keine endgültige Meinung darüber gebildet... der Vorwurf, dass Houellebecq hier ein Thema zum Zweck des inszenierten Skandals aufgreift, ist m.E. jedenfalls nicht gerechtfertigt.
Es geht ihm hier - das unterstelle ich - schon um ernste Kritik (wie weit Kritik bei Houellebecq "ernst" ist, wäre zu diskutieren) an gesellschaftlichen, ja geistesgeschichtlichen Entwicklungen in Frankreich und Europa.

Man könnte Houellebecq als einen der scharfzüngigsten Humanisten bezeichnen, was allerdings insofern irreführend wäre, weil er sich den Boden des Humanismus selbst unter den Füßen weggezogen hat bzw. dieser ihm weggezogen wurde und somit hängt er literarisch im selben luftleeren, in sich widersprüchlichen, Raum wie Richard Rorty philosophisch im Nichts hängt.
Houellebecq steht auf dem Boden eines intellektuellen "Nihilismus Post-Nietzsche", dem einerseits nichts bleibt als schrankenloser Hedonismus (den er ja mit seinen sexuellen Männerphantasien in fast all seinen Werken übersteigert und persifliert...), dem aber letztlich die "Lust-Unlust" Bilanz einen Strich durch die Rechnung macht und was bleibt, ist eine Welt, die eher ein "schopenhauersches Jammertal" voller Krankheit, Leiden und Verfall darstellt (siehe auch seinen Roman "Serotonin")
Was mich verwundert, ist, dass die islamische Öffentlichkeit nicht mit mehr Kritik und Ablehnug auf diesen Roman reagiert hat.
Das ist vielleicht dem Umstand zu verdanken, dass eine islamische Staats- (Welt-) Ordnung (bis hin zur Gesetzgebung auf Basis der Scharia) in diesem Roman oberflächlich als in keinster Weise schlecht oder verwerflich, ja sogar in vielen Aspekten als effektiv und positiv dargestellt wird.
Der Islam wird, ein weiterer Kunstgriff Houellebecqs, fast ausschließlich gebrochen durch die Sichtweise von konvertierten Europäern (egal welcher Herkunft) dargestellt.

Wer zwischen den Zeilen liest, findet aber eine bitterböse Satire auf Patriachat, Hedonismus, Chauvinismus und (Macht-) Politik - wobei, und das ist ein weiterer Kunstgriff Houellebecqs - v.a. die intellektuelle Elite und der staatliche Bildungsbetrieb Frankreichs vorgeführt wird und ganz schlecht wegkommt...und nicht der Islam.
Und Bekehrung zum Islam wird parallel zur Konversion vieler Intellektueller Frankreichs (und Europas) zwischen 1880 und 1930 (konkret am Beispiel von Huysmans, mit vielen Passagen zu diesem Schriftsteller, die viele Leser vielleicht langweilen werden, aber durchaus passend und nicht wegzudenken sind, und auch dazu dienen in vielen Punkten den akademischen Betrieb und die Literaturwissenschaft aufs Korn zu nehmen) dargestellt, und somit in einen nachvollziehbaren Zusammenhang der europäischen Geistesgeschichte gestellt.
Hier wird ein ganz großer Bogen gespannt über den Naturalismus des 19. Jahrhunderts, der Decadance Literatur, der Renouveau catholique, den "engagierten" Schriftstellern des 20. Jahrhunderts (die, und darauf weist Houellebecq immer wieder bissig hin, sich für die größten Massenmörder der Geschichte begeistern konnten) bis zur Postmoderne und der daraus resultierenden völligen Orientierungslosigkeit.

Fazit: insofern, wider Erwarten, ein ganz großer Roman, der viel mehr ist, als (offensichtlich ausreichend versteckte) Islamismus-Kritik.

Samstag, 19. Februar 2022

Notizen Februar 2022

Notizen Februar 2022



Michel Houellebecq (*1958)

Serotonin (2019)
Ein sehr unterhaltsames Buch - mindestens in der ersten Hälfte des Werks voll von unglaublich amüsanten Ergüssen eines ernüchtert-depressiven Mannes, die zweite Hälfte wird dann ernster...
Voll von scharfen Beobachtungen, klugen Diagnosen und beißendem Spott.
Und gegen Ende dann die bedrückend-ergreifende Chronik der Depression eines nur zu typischen Vertreters eines europäischen Bürgers der frühen 21. Jahrhunderts...


Philip Roth (1933 - 2018)

Portnoys Beschwerden (1969)
Ich würde dieses Buch den "Blueprint" zu allen frühen Filmen Woody Allens nennen. Hier findet sich in kondensierter Form das Universum Allens, die Themen, die Charaktere, das Lebensgefühl.
Was in den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts einen Skandal hervorgerufen hat, ist heute amüsant, unterhaltsam, wirkt wohl kaum noch schockierend.
Jedenfalls großartige, unterhaltsame Lektüre und in seiner Art ein Meilenstein der Literatur.